Deepak Dhungana leitet das Institut für Digitalisierung und hat vor sechs Jahren die Informatikausbildung am IMC Krems etabliert. Ein Gespräch über rasante technologische Entwicklung und inneren Frieden, Nepal und Österreich, Motivation und Wissensdurst.
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Aus dem Konzern in die Ausbildung

Der Leiter des Bachelor-Studiengangs Informatik am IMC Krems, Deepak Dhungana, erfüllt auf den ersten Blick kein Klischee. Kein Hoodie, keine Menschenscheu oder eine Kaffeetasse mit Programmierer-Witz: „Ich erkläre meinen Studierenden immer, dass im Keller sitzen und coden nicht der Realität entspricht. In der IT zu arbeiten, bedeutet den ganzen Tag mit anderen Menschen zu tun zu haben. Es erfordert ständige Abstimmung. Teamwork ist super wichtig.“
Bevor er im April 2019 an das IMC Krems wechselte, war er acht Jahre bei Siemens als Senior Key Expert verantwortlich für die strategische Ausrichtung und Förderung der Forschungsaktivitäten mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und datengetriebene Technologien. Dabei hatte er nicht nur viel mit Universitäten zu tun, sondern auch mit frisch eingestellten IT-Absolvent*innen: „Ich habe mir oft Gedanken gemacht, wie man die Ausbildung für den Einsatz in Unternehmen verbessern könnte, und dann fiel mir die Stellenausschreibung in die Hände“. Nicht nur als Lehrender einzusteigen, sondern einen neuen Studiengang zu entwickeln und ein Forschungsinstitut zu leiten, überzeugte ihn. Vor sechs Jahren setzte er „auf der grünen Wiese“ die Bachelorausbildung Informatik auf – mit inzwischen einigen hundert Absolvent*innen. Die Ausbildung umfasst neben breitem technischem Wissen für den raschen Einsatz in Unternehmen auch Umfeldwissen zu Gesetzen, Businessregeln oder Ethik. Praxisorientierung ist im Curriculum mit Fallbeispielen und Daten aus echten Unternehmen vertreten, externen Lehrenden, die ihre Erfahrungen aus den Unternehmen in den Unterricht einbringen und dem fixen Praxissemester. „Von meinen Studierenden sitzt niemand zu Hause und dreht Däumchen. Die meisten arbeiten ab dem zweiten Semester und werden mit dem Bachelorabschluss fix engagiert“, freut sich Deepak Dhungana. Auch er dachte als Informatikstudent der JKU in Linz zunächst, dass er vielleicht als Softwareentwickler arbeiten würde.
Gewissenhafte KI
Im September 2025 startet am IMC Krems im Institut für Digitalisierung ein neuer Masterstudiengang mit dem Titel „Engineering Responsible AI-Systems“. Im Mittelpunkt dieses Studiengangs steht die Entwicklung von KI-Systemen, die sowohl kleine als auch große Herausforderungen der Welt lösen können – verbunden mit einem besonderen Fokus auf den verantwortungsvollen Umgang mit dieser zukunftsweisenden Schlüsseltechnologie. Die Studierenden beschäftigen sich mit Technik, Gesetzen und Ethik. Sie setzen Nachhaltigkeitsprojekte zu Themen wie Energieverbrauch, Klimawandel und Kreislaufwirtschaft um. Der Leiter des Instituts für Digitalisierung setzt mit seinem Team regionale und (inter)nationale Projekte um. So berät und evaluiert das Institut die niederösterreichische Landesgesundheitsagentur beim Einsatz digitalisierter Tools in Pflegeheimen und beteiligt sich am europäischen Projekt „SymbioTech“ für Kreislaufwirtschaft. Hier soll ein KI-basiertes Matching die Weitergabe von Wertstoffen von einer Firma an die andere erleichtern.
Mitmachen oder bleibenlassen?
Wie entscheidet der Fachmann angesichts der rasanten Entwicklungen, welche Themen und Tools er in der Ausbildung aufgreifen soll? Sind bestimmte Basics wichtiger, als ständig vorne dabei zu sein? „Für die Ausbildung beurteile ich die technologische Reife und die Nutzung, denn das Neueste ist eher nicht als Standardtechnik im Einsatz. Die Studierenden sollen lernen, was Industrie und Unternehmen nutzen und brauchen.“ Grundlagen des maschinellen Lernens und neuronaler Netze, auch die Mathematik dahinter, werden mit neuen Tools vermittelt, um sie mit Leben zu erfüllen. In der Forschung ist es anders: „Man kann nicht alles ausprobieren. Ich kenne die meistgenutzten Anwendungen und wir prüfen, wofür wir diese Technologien benutzen können.“ Auch in den Projekten arbeiten Studierende mit und so sind weitere Hände und Hirne eingebunden. Ihm selbst wurde noch im Diplomstudium an der JKU eine Dissertationsstelle angeboten und damit die Weichen für die Forscherkarriere gestellt: „Ich hatte dafür keinen Plan, habe aber ab dem Zeitpunkt immer anwendungsorientiert mit Industriepartnern geforscht“. Als Postdoc war er an der University of Limerick am irischen Forschungszentrum für Software-Engineering, dann an der TU Wien in einem Christian-Doppler-Labor. An der FH Hagenberg unterrichtete er fünf Jahre nebenberuflich.
„Grundlagenforschung ist sehr wichtig, aber wenn deren Ergebnisse eine Anwendung finden, wird ihre Auswirkung auf Geschäfte, Gesellschaft und alles andere sichtbar. Das finde ich ebenso motivierend wie die jungen Menschen, die ich unterrichten darf.“ In den englischsprachigen Studiengängen am IMC Krems kommen 100 Studierende aus 30 Ländern zusammen. Deepak Dhungana kam selbst mit 18 Jahren aus dem ländlichen Nepal zum Studium nach Linz, wo sein Vater lebte. Er sprach kein Wort Deutsch: „Man kann die zwei Welten nicht vergleichen, die Unterschiede sind zu groß. An der Uni hatten wir aber alle eine Gemeinsamkeit: Wir waren jung, wollten lernen und etwas erreichen. Ich habe lange Zeit nicht verstanden, warum in Österreich nicht alle studieren, wo es ja wenig Hürden dafür gab.“ In seinem LinkedIn-Profil steht das Buddha zugeschriebene Zitat: „Peace comes from within. Do not seek it without.“ Diese Überzeugung, dass innere Ruhe und Lebensglück nicht im Außen liegen, erdet ihn. Um darüber hinaus abzuschalten, spielt er Schach und Tischtennis und geht gerne wandern.
Autorin: Astrid Kuffner